17.8.09

Jägerschaft Duderstadt mit hervorragender Öffentlichkeitsarbeit




Beobachtet man die Aktivitäten der Jägerschaft in der Öffentlichkeit, so stellt man immer wieder fest, dass oft reagiert, aber selten agiert wird.
Das liegt zum einen im ständigen Rechtfertigungsdruck der Jäger gegenüber ihrem Tun, zum anderen aber auch an einer oft unsachlichen Presseberichterstattung. Gerne wird seitens der Presse von Hunden und Katzen berichtet, die von Jägern erschossen wurden oder ein Jagdunfall wird als Anlass genommen, über die Jäger zu berichten.

In Zeiten knapper Kassen wird dann schnell durch die Presse ein Artikel zusammengebastelt, dessen Ziel es ist, einen wenig inhaltlichen, dafür aber sensationslastigen Artikel in die Zeitung zu bringen.
Dabei bleibt die sachliche Berichterstattung der täglichen Arbeit eines Jägers aber auf der Strecke.
Diesen Teufelskreis wollte der Jäger Jürgen Werner von der Jägerschaft Duderstadt und dort für die Jungjägerausbildung zuständig und der Journalist Kuno Mahnkopf durchbrechen und sind einen ganz anderen Weg gegangen.
Kuno Mahnkopf, der bisher wenig Kenntnisse von der praktischen Jagd hatte, begleitete den Jäger Jürgen Werner auf der Morgenpirsch.
Seine Erlebnisse bei der Jagd, die für uns als Jäger selbstverständlich sind, schrieb er nieder und veröffentlichte sie in der lokalen Presse.
In seinem Artikel wird deutlich, dass erst die Teilnahme eines Nichtjägers an der Jagd es uns Jägern ermöglicht, unsere Arbeit im rechten Licht erscheinen zu lassen.

Bleibt zu hoffen, dass sich noch mehr Jäger und Journalisten finden, die sich die Mühe machen und der Öffentlichkeit das Jagen in der Form näher zu bringen, wie es der Jäger Jürgen Werner und der Jouranalist Kuno Mahnkopf getan haben.

Über seine Eindrücken von der Morgenpitsch berichtet Kuno Mahnkopf im Onlinemagazin des Göttinger Tageblatts:


waidmannsheil

Euer

stefan


Jagdszenen aus Südniedersachsen

„Wenn der Wind jagt, soll der Jäger nicht jagen“

Das Thema Jagd polarisiert. Jagdgegner bezweifeln die ökologische Notwendigkeit der Jagd, unterstellen Jägern Lust am Töten und an Trophäen, während Jäger sich als Naturschützer darstellen und darauf verweisen, dass in einer Kulturlandschaft keine Selbstregulation der Wildbestände möglich sei. Nicht nur im Internet wird der Streit emotionalisiert und teilweise mit harten Bandagen ausgetragen. Fernab der ideologischen Auseinandersetzung hat Kuno Mahnkopf in der Stille des Ebergötzer Waldes Jürgen Werner von der Jägerschaft Duderstadt bei einer Ansitzjagd begleitet.


Brauchtum: Als letzten Bissen legt Werner dem toten Bock einen Eichenzweig ins Maul, Hündin Aika bekommt Streicheleinheiten.

Photo: Göttinger Tageblatt




Sammler haben es leichter als Jäger. Die müssen nicht so früh aufstehen. Um 3.30 Uhr stehe ich im stockdunklen Ebergötzen vor einem Suzuki-Geländewagen mit DJV-Aufkleber, unter dem Arm eine bibliophile Ausgabe des Standardwerks „Das deutsche Weidwerk“ und ein nicht minder betagtes Fernglas. Beides sind Erbstücke meines Großvaters, der ein Jagdrevier im Weserbergland hatte und im Jahr meiner Geburt starb. Bei der Großmutter aufgewachsen, blieb das Thema für mich ebenso allgegenwärtig wie theoretisch: Vergilbte Fotos mit zünftigen Kerlen in verrauchten Jagdhütten, Geweihe und Jagdhörner an den Wänden, „Wild & Hund“ im Zeitschriftenständer. Einen Bock geschossen hatte ich nicht mal als Trostpreis beim Preisschießen.

Doch jetzt geht es um einen echten Rehbock. Der darf in Niedersachsen von Mai bis Oktober geschossen werden. Freundlich begrüßt mich ein trotz der Uhrzeit bestens aufgelegter Weidgeselle: Jürgen Werner (49) ist Bundeswehroffizier und bildet bei der Jägerschaft Duderstadt Jungjäger aus. Münsterländer-Hündin Aika, die noch einmal eine Rolle bei der Nachsuche spielen wird, bleibt erst einmal zu Hause. Warum, wird mir später klar: Kein Hund hält es stundenlang auf der Kanzel aus.

Aus dem Stahlschrank, für den nicht einmal seine Frau einen Ersatzschlüssel hat, greift sich Werner eine Springfield-Repetierbüchse und eine Pistole für Fangschüsse. Den Drilling, der Schrot und Kugel kombiniert, lässt er ebenso stehen wie die Schrotflinte für Federwild, Hasen und Füchse. Die Abschusspläne sind genau geregelt, Mindestkaliber und -auftrittsenergie für verschiedene Wildarten schreibt das Bundesjagdgesetz vor. Nur eines von vielen Regelwerken vom Waffen- über das Naturschutz- bis zum Fleischhygienegesetz, die Jäger ebenso beherrschen müssen wie Fachkenntnisse über Wildbiologie, Waffentechnik und Waldökologie.

Wege in die Wildnis

Warum man im Wald mit Westernstiefeln und tiefergelegtem Auto nicht weit kommt, wird schnell deutlich. Werners Jeep lässt im als „Hölle“ bekannten Straßenabschnitt zwischen Ebergötzen und Holzerode frühe Pendler und Zivilisationsgeräusche hinter sich, biegt in die Wildnis ab und bahnt sich einen Weg durch Pfützen und rutschige Forstwege. Bei der Anfahrt zur Kanzel – ich hätte mich längst verirrt – wendet Werner plötzlich. „Wir müssen gegen den Wind ankommen“, erklärt er. Und fügt hinzu: „Das Wichtigste bei der Jagd ist der Wind. Wenn der Wind jagt, soll der Jäger nicht jagen.“ Auch, warum Jäger immer einen Hut tragen, erfahre ich: Die helle Gesichtsfläche muss abgeschottet werden. Alles eine Frage der Deckung.

Mahlbäume im Morgennebel


Im Ebergötzer Revier, das er sich mit drei Jagdberechtigten teilt, steigen wir aus dem Auto aus. Zwischen Totholz und Nadelbaumsilhouetten steigt Morgennebel auf, wir passieren Borkenkäferfallen und Mahlbäume, an denen sich Wildschweine nach dem Suhlen scheuern. Ins Patschen der Gummistiefel mischt sich noch ein Flugzeuggeräusch – dann herrscht Waldesruh. Doch die gibt es eigentlich nicht einmal zur blauen Stunde – der Schweigeminute, in der angeblich die Nachttiere verstummen und die Vögel noch nicht mit ihrem Morgenkonzert beginnen. Immer wieder spitzt Werner die Ohren, kann jeden Laut identifizieren und zuordnen.

Nach dem Erklimmen der Ansitzleiter werden die Klappen der Kanzel geöffnet. Dort bleibt es kontemplativ. Angestrengt suchen meine kurzsichtigen Augen den Waldessaum ab. Außer Nebelfetzen regt sich nichts. Langsam gibt die Dämmerung den Blick auf eine Windbruchfläche mit Himbeeren und Pionierhölzern frei. Langeweile kommt trotz stundenlangen Stillsitzens nicht auf – schon, weil ich Werner mit Fragen bombadiere. Flüsternd fachsimpelt er in der Jägersprache über Fuchsfehen, Scheinäsen, schreckende Schmalrehe, Lodenkotzen und Rauschchaos.

Zwischendurch klicken die Feuerzeuge – Zigarettenrauch als Windindikator. „Rauch stört die Tiere nicht“, sagt Werner. Eigentlich ein Grund, sie zu verschonen, denke ich. Nichtraucher nehmen Seifenblasen, merkt Werner an. Ob das Jägerlatein ist oder der ausgefuchste Jagd-Profi das ernst meint, frage ich nicht. Auch Husten auf dem Hochsitz ist erlaubt. Rehe husten selbst – oder halten einen für Sauen, wenn man hustet. In Holzerode schlägt die Kirchturmuhr, in der Ferne hallt ein Schuss. Auch andere Jäger sind heute unterwegs. In meinem Kopf machen sich Lauschchaos und Müdigkeit breit.

Dann geht alles blitzschnell. Als Werner das Gewehr mit Zielfernrohr anlegt, greife ich zum Fernglas. Ein ohrenbetäubender Knall zerreißt die Stille, in fast 100 Metern Entfernung kann ich gerade noch ein Stück braunes Fell ausmachen, das ruckartig hinter einem Busch zusammensackt. Das soll alles gewesen sein? Sekundenbruchteile, die nach stundenlangem Warten die Jagd entscheiden? Wie hat mein Begleiter das so schnell hinbekommen? Schließlich muss der Rehbock richtig stehen, die Schussposition stimmen. Hellwach will ich im Unterholz herumtrampeln und den Bock suchen. Doch Werner, der auf einem Bauernhof großgeworden und schon als Junge mit seinem Vater zur Jagd gegangen ist, hält mich zurück. Das sei Hundesache: „Das Tier ist im Gestrüpp kaum zu finden. Wir würden nur die Spuren verwischen.“ Also zurück nach Ebergötzen, den Hund holen.

Nachsuche im Unterholz

Aika winselt aufgeregt. Sie versteht Worte wie „Bock“ und „Schwein“ und weiß, wonach sie suchen muss. Und Werner weiß genau, welchen Bock er geschossen hat, kennt jedes Tier im Revier. Am Fundort bestätigt sich das: Ein zwei bei drei Jahre alter, ungerader Sechser (eine Geweihstange mit zwei, die andere mit drei Enden), der ihm schon seit Tagen als Abschussbock aufgefallen war. Aus einer Wunde puckert Blut, das Aika aufleckt. Der Anblick des toten Tieres setzt Adrenalin frei, ich muss an den Jäger aus Schneewittchen denken, der die Stiefmutter mit Lunge und Leber eines Rehbocks täuscht.

An den Läufen schleppen wir den Bock aus dem Unterholz. Jetzt beginnt die „rote Arbeit“: Aufbrechen, Ausschweißen und Ausweiden. Routiniert durchtrennt Werner mit einem Jagdmesser die Speiseröhre und entfernt die Geschlechtsteile. Pinsel und Brunftkugeln fliegen ins Gebüsch: „Die kriegt der Fuchs.“ Mir zuckt es im Rückenmark, Sympathieabzug für Allesfresser Meister Reineke. Sachgerecht schneidet und weidet Werner, stellt einen glatten Herz-Lungen-Durchschuss fest, untersucht die Organe auf mögliche Krankheiten, spült den Kadaver mit Wasser aus.

In einer Wanne wird das Tier, das ausgenommen noch 17 Kilo auf die Waage bringt, nach Ebergötzen gebracht. Dann geht es weiter zum Kühlhaus des Mackenröder Hegerings. Während meine Gedanken um Rehbraten kreisen, bellt Aika einem über die Straße laufenden Hasen hinterher. Doch der hat nichts zu befürchten: Hasen haben noch Schonzeit.

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